Erwartungen und Siege

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20200905SSM
Ehe die Herbstsaison begonnen hat, ist sie bereits wieder Geschichte. Zum Abschluss konnte ich souverän den Schweizermeistertitel über die Mitteldistanz gewinnen.

Ich freue mich endlich wieder einmal von Wettkampfserlebnissen berichten zu können. Denn glücklicherweise konnte in den vergangenen Wochen doch noch eine kompakte Herbstsaison durchgeführt werden. Natürlich in der Schweiz und alles «Corona-Konform». Dies war nur durch den enormen Aufwand fleissiger Organisatoren und deren unzähligen Helfern möglich. Es galt nämlich ein ziemlicher Mehraufwand zu bewältigen, der durch längere Startzeitenfenster, spezielle Startschläuche oder komplizierte Sektoreneinteilungen ausgelöst wurden. Bei allen Organisatoren und freiwilligen Helfern, die es ermöglichten Wettkämpfe zu bestreiten, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

Testlauf Val Piora
Ende August fand in der Piora-Mulde oberhalb von Ambri-Piotta der erste Lauf der Herbstreihe statt. Durch Gewittermeldungen war lange nicht klar wie und ob das Rennen überhaupt durchführbar ist. Kurzfristig wurde dann doch für eine Durchführung entschieden und die meisten kamen auch ohne Gewitter wieder zurück in die Berghütte, die als WKZ diente. Ich selbst fand irgendwie nicht ins Rennen. Die vielen Diskussionen über die Wetterlage im Vorfeld hatten mir den Wettkampfgeist genommen.

8. Nationaler OL
Eine Antwort auf diesen misslungenen Start konnte ich dann aber gleich am Folgetag geben. Am ersten Grand-Slam-Rennen, das im Rahmen des 8. Nationalen OL’s durchgeführt wurde, konnte ich für einmal wieder ganz zuoberst auf dem Treppchen stehen. In strömendem Regen kämpfte ich mich durch reissende Bäche am schnellsten ins Ziel. Mich freute das sehr und es bestätigte mir, dass ich trotz der Wettkampfpause gut trainiert habe. Nicht so optimal verlief dann aber die Nachhausefahrt: Mein Auto blieb in der inzwischen sumpfigen Wiese stecken, sodass wir von einem Pannenfahrzeug herausgezogen werden mussten. Einen «grusigeren» Tag hätte es also nicht sein können und doch bleibt er mir wohl sehr positiv in Erinnerung. Denn so oft gewinne ich eben dann doch nicht nationale OL’s. Aber dazu unten mehr.

SM Sprintstaffel / Sprint
Nur eine Woche später stand dann Sprint auf dem Programm. Am Samstag startete ich an den Sprintstaffel-Schweizermeisterschaften mit der OL Regio Wil und wir konnten uns den guten 4. Rang herauslaufen. Meine klare Streckenbestzeit liess mich positiv auf den nächsten Tag stimmen, so dass ich die Chance sah um den Titel mitlaufen zu können. Sonntags fand nämlich der Einzelsprint in Kreuzlingen statt. Ich wollte unbedingt an die Leistungen vom 8. Nationalen anknüpfen und nahm mir für den Lauf sehr viel vor. Auch jetzt bin ich noch der Überzeugung, dass an diesem Tag alles möglich gewesen wäre. Drei Minuten vor dem Ziel führte ich das Feld mit 9 Sekunden Vorsprung an. Prompt war ich für einen Augenblick auf der Karte einen Schritt hintennach  und übersah einen Durchgang. Ich lief in eine Sackgasse und büsste rund 20 Sekunden ein. In einem engen Sprint wie diesen zu viel für die Medaillen. Somit musste ich mich mit 6 Sekunden Rückstand auf Gold mit einem 4. Rang zufriedengeben. Dieser 4. Rang enttäuschte mich sehr. Nicht weil meine Erwartungen zu hoch gesetzt waren, sondern weil ich es selbst vermasselt hatte.

SM Langdistanz

Eine Woche darauf war die Enttäuschung verdaut. Eine neue Chance ermöglichte sich, diesmal über die Langdistanz. Ich war bereit für einen harten Kampf über 16,5 km und rund 600 Höhenmeter. An diesem Tag war ich mit meiner Leistung zufrieden, musste jedoch eingestehen, dass Andere besser waren. Und so wurde ich erneut auf Rang 4 verwiesen.

SM Mitteldistanz
Ich hatte nun also noch eine Chance, doch noch eine Schweizermeisterschafts-Medaille zu ergattern und dies an der zwei Wochen später stattfindenden Mitteldistanz-SM. Dieses Mal in richtigem Herbstwetter in Seelisberg. Ich war hungrig und gleichzeitig freute ich mich auch auf das ruppige Karstgelände, das mir liegt. Vor allem kartentechnisch und koordinativ verlangte das Rennen alles von einem ab. Aber ich kam gut vorwärts und im Ziel teilte man mir mit, dass man gerne ein Siegerinterview mit mir machen würde. Anfangs wollte ich mir da noch nicht so ganz sicher sein, denn einige meiner Top-Konkurrenten waren nach mir gestartet. Doch meine Zeit wurde an diesem Tag nicht mehr unterboten und ich konnte mich nach 2013 ein zweites Mal Schweizermeister über die Mitteldistanz nennen. Damit gehen alle 4 Grand-Slam Läufe, darunter 3 Schweizermeistertitel aufs Konto der Hubmänner. Und das fair aufgeteilt, mit je 2 Siegen.

Viele werden sich nun denken: Tinu läuft ja immer konstant und über zwei 4. Ränge sollte man sich doch nicht beklagen. Diesen Herbst hat sich aber bei mir im Kopf etwas geändert. Ich habe unter anderem am 8. Nationalen als auch an der Sprintstaffel-SM Selbstvertrauen getankt. Dabei habe ich auch gemerkt, dass ich nicht mehr «nur» um gute Ränge laufen will, sondern ich gehe an Läufe und will sie gewinnen. Diese neue Einstellung hilft mir, näher an meine Top-Leistung zu kommen.
Dieser Sieg über die Mitteldistanz bedeutet mir sehr viel, denn ich wollte ihn unbedingt. Mir ist es schon oft passiert, dass ich nah dran war und dann doch noch etwas Kleines, vielleicht auch nur eine Spur Wettkampfglück, gefehlt hat. Der Moment, in welchem man aber realisiert, dass heute alles aufgegangen ist, tut extrem gut. Und es spornt mich an Tag für Tag weiterzumachen. Auch wenn nicht klar ist, was dieses Jahr wettkampfmässig noch alles zu bieten hat. So oder so, ich bin bereit.